"Müssen Sicherheit besser erklären": Zeitenwende-Tour der Münchner Sicherheitskonferenz
Update: 2025-11-28
Description
SWR Aktuell: Was beschäftigt die Menschen am meisten, wenn es um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geht?
Benedikt Franke: Ich glaube, was wir in den letzten 50 dieser Townhalls gemerkt haben, ist, dass die Leute hauptsächlich beschäftigt, dass man ihre Sorgen nicht ernst nimmt – und dass man ihnen Zusammenhänge nicht erklärt. Wir haben eine große Bereitschaft kennengelernt, Dinge neu einzuordnen, wenn sie denn richtig erklärt werden. Eine dieser Fragen war: Warum kann man nicht doch ganz schnell wieder an billiges russisches Gas kommen, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln? Sowas muss man dann erklären, weil es hier und da auch nicht offensichtlich ist. Und das hat uns schon überrascht, diese Notwendigkeit, Dinge einzuordnen.
SWR Aktuell: Was macht denn da die Politik falsch? Anders gefragt: Was könnte die Politik aus dieser Veranstaltungsreihe mitnehmen?
Franke: Ich glaube, dass Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe extrem wichtig ist, und dass man dorthin gehen muss, wo es wehtut. Wir sind ja nicht nur in Garmisch-Partenkirchen, wie jetzt am Wochenende, sondern wir waren auf dem Marktplatz in Bautzen, wir waren an der polnischen Grenze. Wir waren an Orten, die vielleicht für die Politik bisher nicht so attraktiv waren und haben uns relativ viel Mühe gegeben, dort mit Menschen zu sprechen, die normalerweise nicht direkt abgeholt werden. Und ich würde sagen, das hat sich in jedem einzelnen Fall gelohnt. Und ich würde der Politik stark empfehlen, das auch zu tun.
SWR Aktuell: Sie sprechen die Menschen in den sogenannten neuen Bundesländern an. Da wissen wir ja auch aus Umfragen, dass die der Position der deutschen Regierung in Sachen Ukraine-Krieg sehr skeptisch gegenüberstehen. Dort sieht man dann doch eher, dass es besser wäre, sich mit Russland wieder zu versöhnen, weil man dann wieder billige Energie bekommt. Wie konnten Sie da dagegenhalten und eben erklären, dass die Zusammenhänge doch komplizierter sind?
Franke: Was uns überrascht hat, war die Tatsache, dass man eben vieles einordnen muss. Es gab da unglaublich viel – wie auch immer gestreute – Desinformation darüber, wer eigentlich den Krieg begonnen hat und auf welcher Grundlage der Krieg gegen die Ukraine geführt wird, und wie das geschichtlich eigentlich alles war, ob die Ukraine nicht doch vielleicht eher Russland sei. Deswegen haben wir tatsächlich einfach Faktenarbeit betrieben. Wir haben ja nicht nur da prominente Politikerinnen und Politiker mitgenommen, sondern auch Experten, Geschichtswissenschaftler, Sozialwissenschaftler, die Dinge eingeordnet haben. Und auch das hat sich wieder gelohnt.
SWR Aktuell: Lassen Sie uns jetzt über das Verhältnis von Deutschland und Europa zu den USA sprechen, das sich verändert hat, seitdem Donald Trump wieder Präsident ist. Wie nehmen die Menschen das wahr?
Franke: Ich glaube, wir haben da eine Spaltung gesehen. Es gibt eine ganze Reihe an Menschen, die die sehr wilde und disruptive Art der Trumpschen Politik per se gar nicht so schlecht finden, die das vergleichen mit dem doch eher aufwendigen, anstrengenden, langwierigen Prozessen hier bei uns in Europa. Die sagen: „Ach Gott, vielleicht sollte man das auch mal machen“. Da muss man dann natürlich dagegen arbeiten. Auf der anderen Seite gibt es auch völlig übertriebene Ängste, dass das Ende des Westens und der liberalen Demokratie morgen bevorsteht, weil Donald Trump zum Präsident gewählt wurde und hier und da sehr exzentrische Positionen einnimmt. Zwischen diesen beiden Polen zu vermitteln war gar nicht so einfach und wird auch in den nächsten Monaten und Jahren nicht einfach bleiben.
SWR Aktuell: Diese, wie sie sagen, disruptive Politik der USA hat man auf der Münchner Sicherheitskonferenz in diesem Jahr wirklich ganz drastisch erlebt. Das war eine Zäsur, der Auftritt von US-Vizepräsident J.D. Vance ist in bleibender Erinnerung geblieben. Er hat von unterdrückter Meinungsfreiheit in Deutschland gesprochen, dass Brandmauern vor populistischen Parteien undemokratisch seien und vieles, vieles mehr. Nun das war ein Schock und auch eine Zeitenwende. Wie hat sich die Münchner Sicherheitskonferenz auf diese neue Realität eingestellt?
Franke: Ich glaube, was wir an der Rede ganz klar gemerkt haben, ist, dass wir als Europäerinnen und Europäer keinen guten Job gemacht haben, den Amerikanern zu erklären, wie wichtig die transatlantische Zusammenarbeit ist. Wir haben dem – in Anführungszeichen – „normalen amerikanischen Wähler“ nicht erklärt, warum es wert ist, in Europa zu investieren, warum wir den Vereinigten Staaten etwas bringen. Das ist eine Position, die man bei Trade Events ganz klar immer wieder sieht. Und wir kennen ihn ja jetzt recht gut. Das war seine erste Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, und ich würde uns da gerne selbst ein bisschen in die Pflicht nehmen, noch deutlich intensiver mit den Vereinigten Staaten und auch dort allen Schichten und Ebenen ins Gespräch zu gehen, um klar den Mehrwert der Zusammenarbeit mit Europa darzustellen.
SWR Aktuell: Die veränderte Weltordnung, auf der einen Seite der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, auf der anderen Seite die USA, die nicht mehr so sind wie früher, das alles prägt unsere Sicherheitslage. Das hat auch, wie Sie gesagt haben, die Zeitenwende-On-Tour-Veranstaltungsreihe geprägt. Was nehmen Sie und Ihre Kollegen mit?
Franke: Wir nehmen drei Dinge mit: dass wir als Münchner Sicherheitskonferenz durchaus auch aus unserer Komfortzone gehen müssen. Wir sind ja sonst immer nur in Präsidialpalästen oder an Rande großer Gipfel in Erscheinung getreten. Wir müssen, glaube ich, auch in die breite Bevölkerung hineinwirken – und vor allem den Dialog suchen, so ein bisschen Transmissionsriemen dann vielleicht auch zur Sicherheitspolitik sein. Wir müssen besser erklären. Wir müssen versuchen, Erklärungen zu finden, die auch verfangen und die faktenbasiert sind. Und ich glaube, wir müssen noch viel mehr tun, um für politische Bildung zu werben – nicht nur hier in Deutschland, sondern in ganz Europa.
Benedikt Franke: Ich glaube, was wir in den letzten 50 dieser Townhalls gemerkt haben, ist, dass die Leute hauptsächlich beschäftigt, dass man ihre Sorgen nicht ernst nimmt – und dass man ihnen Zusammenhänge nicht erklärt. Wir haben eine große Bereitschaft kennengelernt, Dinge neu einzuordnen, wenn sie denn richtig erklärt werden. Eine dieser Fragen war: Warum kann man nicht doch ganz schnell wieder an billiges russisches Gas kommen, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln? Sowas muss man dann erklären, weil es hier und da auch nicht offensichtlich ist. Und das hat uns schon überrascht, diese Notwendigkeit, Dinge einzuordnen.
SWR Aktuell: Was macht denn da die Politik falsch? Anders gefragt: Was könnte die Politik aus dieser Veranstaltungsreihe mitnehmen?
Man muss dorthin gehen, wo es wehtut.Quelle: MSC-Vize Benedikt Franke, stellvertretender Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)
Franke: Ich glaube, dass Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe extrem wichtig ist, und dass man dorthin gehen muss, wo es wehtut. Wir sind ja nicht nur in Garmisch-Partenkirchen, wie jetzt am Wochenende, sondern wir waren auf dem Marktplatz in Bautzen, wir waren an der polnischen Grenze. Wir waren an Orten, die vielleicht für die Politik bisher nicht so attraktiv waren und haben uns relativ viel Mühe gegeben, dort mit Menschen zu sprechen, die normalerweise nicht direkt abgeholt werden. Und ich würde sagen, das hat sich in jedem einzelnen Fall gelohnt. Und ich würde der Politik stark empfehlen, das auch zu tun.
SWR Aktuell: Sie sprechen die Menschen in den sogenannten neuen Bundesländern an. Da wissen wir ja auch aus Umfragen, dass die der Position der deutschen Regierung in Sachen Ukraine-Krieg sehr skeptisch gegenüberstehen. Dort sieht man dann doch eher, dass es besser wäre, sich mit Russland wieder zu versöhnen, weil man dann wieder billige Energie bekommt. Wie konnten Sie da dagegenhalten und eben erklären, dass die Zusammenhänge doch komplizierter sind?
Es gab unglaublich viel Desinformation darüber, wer eigentlich den Ukraine-Krieg begonnen hat.Quelle: Benedikt Franke,
Franke: Was uns überrascht hat, war die Tatsache, dass man eben vieles einordnen muss. Es gab da unglaublich viel – wie auch immer gestreute – Desinformation darüber, wer eigentlich den Krieg begonnen hat und auf welcher Grundlage der Krieg gegen die Ukraine geführt wird, und wie das geschichtlich eigentlich alles war, ob die Ukraine nicht doch vielleicht eher Russland sei. Deswegen haben wir tatsächlich einfach Faktenarbeit betrieben. Wir haben ja nicht nur da prominente Politikerinnen und Politiker mitgenommen, sondern auch Experten, Geschichtswissenschaftler, Sozialwissenschaftler, die Dinge eingeordnet haben. Und auch das hat sich wieder gelohnt.
SWR Aktuell: Lassen Sie uns jetzt über das Verhältnis von Deutschland und Europa zu den USA sprechen, das sich verändert hat, seitdem Donald Trump wieder Präsident ist. Wie nehmen die Menschen das wahr?
Franke: Ich glaube, wir haben da eine Spaltung gesehen. Es gibt eine ganze Reihe an Menschen, die die sehr wilde und disruptive Art der Trumpschen Politik per se gar nicht so schlecht finden, die das vergleichen mit dem doch eher aufwendigen, anstrengenden, langwierigen Prozessen hier bei uns in Europa. Die sagen: „Ach Gott, vielleicht sollte man das auch mal machen“. Da muss man dann natürlich dagegen arbeiten. Auf der anderen Seite gibt es auch völlig übertriebene Ängste, dass das Ende des Westens und der liberalen Demokratie morgen bevorsteht, weil Donald Trump zum Präsident gewählt wurde und hier und da sehr exzentrische Positionen einnimmt. Zwischen diesen beiden Polen zu vermitteln war gar nicht so einfach und wird auch in den nächsten Monaten und Jahren nicht einfach bleiben.
SWR Aktuell: Diese, wie sie sagen, disruptive Politik der USA hat man auf der Münchner Sicherheitskonferenz in diesem Jahr wirklich ganz drastisch erlebt. Das war eine Zäsur, der Auftritt von US-Vizepräsident J.D. Vance ist in bleibender Erinnerung geblieben. Er hat von unterdrückter Meinungsfreiheit in Deutschland gesprochen, dass Brandmauern vor populistischen Parteien undemokratisch seien und vieles, vieles mehr. Nun das war ein Schock und auch eine Zeitenwende. Wie hat sich die Münchner Sicherheitskonferenz auf diese neue Realität eingestellt?
Franke: Ich glaube, was wir an der Rede ganz klar gemerkt haben, ist, dass wir als Europäerinnen und Europäer keinen guten Job gemacht haben, den Amerikanern zu erklären, wie wichtig die transatlantische Zusammenarbeit ist. Wir haben dem – in Anführungszeichen – „normalen amerikanischen Wähler“ nicht erklärt, warum es wert ist, in Europa zu investieren, warum wir den Vereinigten Staaten etwas bringen. Das ist eine Position, die man bei Trade Events ganz klar immer wieder sieht. Und wir kennen ihn ja jetzt recht gut. Das war seine erste Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, und ich würde uns da gerne selbst ein bisschen in die Pflicht nehmen, noch deutlich intensiver mit den Vereinigten Staaten und auch dort allen Schichten und Ebenen ins Gespräch zu gehen, um klar den Mehrwert der Zusammenarbeit mit Europa darzustellen.
SWR Aktuell: Die veränderte Weltordnung, auf der einen Seite der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, auf der anderen Seite die USA, die nicht mehr so sind wie früher, das alles prägt unsere Sicherheitslage. Das hat auch, wie Sie gesagt haben, die Zeitenwende-On-Tour-Veranstaltungsreihe geprägt. Was nehmen Sie und Ihre Kollegen mit?
Franke: Wir nehmen drei Dinge mit: dass wir als Münchner Sicherheitskonferenz durchaus auch aus unserer Komfortzone gehen müssen. Wir sind ja sonst immer nur in Präsidialpalästen oder an Rande großer Gipfel in Erscheinung getreten. Wir müssen, glaube ich, auch in die breite Bevölkerung hineinwirken – und vor allem den Dialog suchen, so ein bisschen Transmissionsriemen dann vielleicht auch zur Sicherheitspolitik sein. Wir müssen besser erklären. Wir müssen versuchen, Erklärungen zu finden, die auch verfangen und die faktenbasiert sind. Und ich glaube, wir müssen noch viel mehr tun, um für politische Bildung zu werben – nicht nur hier in Deutschland, sondern in ganz Europa.
Comments
In Channel























